Erstellt von ON-Online: Silke Meyer
Packendes Spiel mit krönendem Finale
Foto Bernd Wolfenberg
OHV siegt mit megastarker Abwehr und von den Fans beflügelt knapp gegen Tabellendritten. Einer ragt aus dem Team heraus
Ganz großes Handball-Kino war das, was sich am Sonnabendabend in der Auricher Sparkassen-Arena abspielte. Mit einem Wimpernschlag-Finale, wie es passender zum 25-jährigen Vereinsbestehen des OHV Aurich nicht hätte enden können. Die Drittligamannschaft, vor dem Spiel noch nicht aller Abstiegssorgen ledig, gewann gegen den Tabellendritten VfL Gummersbach II in einer Manier, als gäbe es kein Morgen mehr mit 28:27 Toren. 1100 Fans waren außer sich vor Freude.
OHV-Interimstrainer Eric Hettmann richtete dann auch ein wahnsinniges Dankeschön an die Zuschauer: „Sie haben uns in unglaublich motivierender Weise zum Sieg getragen.“
Die Stimmung entfacht hatte seine Mannschaft. Die brannte von Anfang an wie in dieser Saison noch nie und sorgte für „Feuer“ unterm Arenadach. „Es ging darum, von der ersten Minute an zu zeigen, dass wir diesen Sieg unbedingt wollten“, so Hettmann. Das taten sie. Sie waren im Vergleich zu den vorherigen Spielen nicht wiederzuerkennen.
Ihr Respekt vor dem Gegner war groß gewesen. Hettmann hatte sich im Vorfeld mehrere Videos von Spielen der Gummersbacher angeschaut und war beeindruckt von deren Spielweise: „Die haben mir immer mehr gefallen.“
Die Auricher wussten: Sie bekamen es mit einer jungen Truppe zu tun. Die meisten Spieler Jahrgang 2006. Sie wussten aber ebenso, die machen hinten heraus auch Fehler.
OHV startet furios ins Spiel gegen den VfL
Der Start der Auricher, die ohne den schulterverletzten Jorit Reshöft antreten mussten: furios. Zwar trafen die Gummersbacher mit ihrem ersten Angriff zum 1:0. Es sollte ihre einzige Führung in dem Spiel bleiben. Denn was die Abwehr der Auricher leistete, wie sie sich engagierte, war einfach brillant. Griffig und giftig zu sein, hatte Hettmann ihr mit ins Spiel gegeben. Das war sie. Herausragend: Edgars Kuksa im Tor. Und das sollte über die gesamte Spielzeit so bleiben.
Im Angriff lief es gegen die zwar erwartete, aber dennoch schwierig zu spielende, extrem offensive Gummersbacher Abwehr erstaunlich rund. Nach 13 Minuten führte der OHV 9:4.
Bis dahin gingen auf das Konto von Kuksa bereits sieben Paraden. Was den VfL-Trainer Goncalo Miranda veranlasste, die Auszeitkarte zu setzen. Das kannte er von seiner Mannschaft bisher nicht: „Wir machen zu viele technische Fehler und verlieren ungewohnt ein bisschen den Kopf.“
Die Auricher konnten ihren Vorsprung bei allem Engagement, das auch von den Spielern auf der Bank und dem knieverletzten Josip Crnic ausging, aber nicht halten. In die Halbzeitpause gingen sie nur mit einem 15:14.
Mehr wäre möglich gewesen, wenn sie vor allem in der Schlussphase der ersten Halbzeit ihre Chancen genutzt hätten. Trotzdem hatten die Auricher mit variablem Spiel und vielen personellen Varianten überzeugt.
Der Auftakt der zweiten Halbzeit war aus Šicht des OHV genau so von den Sitzen reißend wie der Spielbeginn. Einen klasse Spielzug schloss Henning Stöhr auf Zuspiel von Rostyvlas Polishchuk von der linken Außenseite mit dem Tor zum 16:14 ab. Im Gegenzug hielt Kuksa einen Siebenmeter von Leon Kamps. Kevin Wendlandt erhöhte mit einer Einzelaktion auf 17:14. Und im Gegenzug? Schien Kuksa für die Gummersbacher zu einem Trauma zu werden. Er wehrte den Wurf von Benedikt Israel von der linken Außenseite ab. Dann war es Ryuga Fujita, der für den OHV zum 18:14 traf. Das alles in den ersten vier Minuten der zweiten Halbzeit.
Aber es wurde anschließend auch wieder genau so eng wie in der ersten Halbzeit. Und noch enger. Das konnte auch Marten Jungvogel nicht verhindern, als er in der 49. Spielminute mit einem gehaltenen Siebenmeter, für den er extra eingewechselt worden war, das Stimmungsbarometer bis an den Anschlag brachte. Er verhinderte das 23:25 für den VfL. Stattdessen hieß es im Gegenzug nach einem Treffer von Polishchuk 26:22 für den OHV und in der 52. Spielminute, erneut nach einem Tor von Polishchuk, 27:23.
Aber das Spiel hatte Kraft gekostet. Der VfL verkürzte den Rückstand auf zwei Tore (25:27). Hettmann setzte die Auszeitkarte. Der VfL setzte anschließend auf die Abwehrtaktik doppelte Manndeckung. Und glich zum 27:27 aus. Drei Minuten waren da noch zu spielen.
Auricher sichern Sieg in der letzten Sekunde
Evgeny Vorontsov befreite den OHV anschließend nervenstark mit einem verwandelten Siebenmeter aus der torlosen Phase. Der OHV führte 28:27. Die Fans hielt es nicht mehr auf den Sitzen. Mit einem Fehlpass brachten sich die Gummersbacher dann um ihre Angriffschance. Der OHV konnte daraus aber kein Kapital schlagen. Was dem VfL-Trainer noch die Möglichkeit zu einer Auszeit eröffnete. 33 Sekunden standen noch auf der Uhr. Der VfL spielte den Angriff lange aus. Bis Jannes Hertlein den Ball fischte, einen Torabschluss verhinderte und Jubelstürme in den OHV-Reihen auslöste.
Nur bei Kuksa nicht. Jedenfalls zunächst nicht. Er sank auf Knien zu Boden: „Da ist einfach ein ganz großer Druck abgefallen. Zuletzt haben einige Sachen nicht geklappt. Aber diesmal haben wir gut angefangen. Und am Ende haben uns die Zuschauer zum Sieg gepuscht.“
„Wir haben bis zum Schluss nicht locker gelassen“, sagte Hettmann, dem nicht nur ein Stein vom Herzen gefallen war, sondern ein ganzes Felsmassiv. Dieses nicht locker lassen sei das entscheidende Puzzleteil gewesen, das seine Mannschaft in einigen Situationen vielleicht etwas glücklich die Punkte habe holen lassen.
Die gingen für den VfL-Trainer absolut in Ordnung. „Der OHV war besser. Mit so viel Willen. Mit viel mehr Ruhe und Kopf. Mit einer bärenstarken Abwehr und einem super Torwart hat er sich die Punkte verdient“, sagte Miranda, der sich auf der Pressekonferenz als sympathischer Sportsmann präsentierte.
Damit ging ein Spiel zu Ende, an das sich Spieler und Fans noch lange erinnern werden.