Erstellt von Willy Oevermann
Der helle Wahnsinn
Wenn ein Handballspiel 48:33 endet, mag manch einer gleich lächelnd unterstellen, beide Mannschaften hätten ohne Torhüter gespielt. 81 Tore in 60 Minuten sind vollkommen unnormal, im Schnitt alle 44 Sekunden ein Treffer höchst selten. Zumindest in den oberen DHB-Ligen dürfte das noch nicht vorgekommen sein.
In Aurich vielleicht erstmalig und das am 15. Dezember 2024 in der Begegnung des OHV gegen die Sportfreunde Söhre. Dabei sah es zu Beginn der Partie gar nicht nach einem solchen Rekordergebnis und nach einer solchen Klatsche für die Gäste aus, denn nach 16 gespielten Minuten stand es 11:11 unentschieden. Dann aber nahm der OHV-ICE Tempo auf. Innerhalb von vier Minuten zogen sie sechs Tore davon und nach einem leicht verkürzten Zwischenstand von 18:14 knallten Henning & Co sieben Bälle in sieben Minuten in das Söhrener Gehäuse – ohne einen einzigen Gegentreffer. 7:0 Tore in sieben Minuten! (Dafür brauchen manche Fußball-Bundesligisten drei bis vier Spieltage!) Auf den Rängen war der Teufel los. Halbzeitstand 25:14 (8x Henning, 4x Rene, 4x Nerdin, etc.).
Damit erst gar keine Zweifel aufkamen, startete das OHV-Team nach der Pause gleich wieder durch, traf viermal in drei Minuten, ohne dass Söhre auch nur ein einziger Treffer gelang. In der 36. Minute erzielte Henning seinen 10. Treffer und nachdem Jannes Hertlein in der 40. Minute seine erste Bude gelang, war es in der 48. Minute bereits seine fünfte. Aus den 11 Toren Abstand beim Seitenwechsel war in der 50 Minute durch Rostys Hammerwurf und seinem siebten Treffer der größte Abstand des Spiels erreicht: 43:26 = 17 Tore! Hallensprecher Didi Müller-Dunkmann war voll in seinem Element und lief zur Höchstform auf, während die Presse sich die Finger wund schrieb und die Zeitnehmer kaum hinterherkamen, die Anzeigetafel korrekt zu führen.
Statt einer gewohnten OHV-Schwächephase ging es munter weiter und als nach 60 Minuten 81 Tore, und davon etliche „Sahneteilchen“ und „Kempas“ erzielt worden waren, hatten mehr als 1500 Zuschauer durchschnittlich alle 44 Sekunden ein Tor gesehen, alle 75 Sekunden einen OHV-Treffer feiern können! Der helle Wahnsinn! Und wie gesagt, es wurde mit Torhütern gespielt und unser war sogar ganz gut!
Dieses Spiel geht in die Geschichte ein, und da gehört es auch hin. Eine Wiederholung wird es in absehbarer Zeit nicht geben, und das ist auch gut so. So toll dieses Erlebnis auch war, so langweilig würden auf Dauer derartige Ergebnisse werden. Der Reiz des Handballs liegt in der Spannung, in rasanten Spielzügen, spektakulären Torhüterparaden und akrobatischen Einlagen, in Leichtsinnsfehlern, (un-)gerechten Zeitstrafen, diskutablen Schieri-Entscheidungen, im Nervenkitzel und Haareraufen, dazu reihenweises Kopfschütteln oder pure Verzweiflung; anschließende phänomenale Aufholungsjagden, Last-minute-Siege mit totalem kollektiven Ausflippen. Das volle Programm! Das ist Handball!
Der 48:33er ist es wert und hat es verdient, dass von ihm in Zukunft immer mal wieder erzählt wird. So schön das auch war, aber ich will das nur ausnahmsweise. Meinetwegen 81 Tore alle sieben Jahre kurz vor Weihnachten.
Willy Oevermann
PS: Ich freue mich, dass es keine 50 Tore wurden, denn das wäre für Söhre ein Debakel gewesen und das hatten die Jungs nicht verdient.